Der Pflichtteil
Unabhängig vom Testament besteht für Ehepartner*innen sowie die direkten Nachkommen des Erblassers (Kinder und Kindeskinder) ein gesetzlicher Mindestanspruch auf einen Teil des Erbes (Hälfte des gesetzlichen Erbteils). Der Pflichtteil des Ehepartners ist daher ein Sechstel (sofern es Kinder gibt), der Pflichtteil der Kinder beträgt ein Drittel Der Pflichtteilanspruch ist nicht der Anspruch, bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass zu erhalten, sondern lediglich eine Geldforderung, die dem Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben/die Erbin zusteht. Dessen Erfüllung kann er /sie ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen einfordern. Die Berechnung des Pflichtteils orientiert sich an dem durch Schätzung ermittelten Wert der sogenannten reinen Verlassenschaft (Verlassenschaftsvermögen abzüglich Schulden, Begräbniskosten, Kosten des Verlassenschaftsverfahrens)
Pflichtteilberechtigte haben im Zuge eines Verlassenschaftsverfahrens das Recht, die Schätzung des Nachlasses zu verlangen. Ist der Pflichtteil nicht durch Zuwendungen auf den Todesfall oder durch Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers/der Erblasserin ausreichend gedeckt, so steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Geldpflichtteilsanspruch bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch zu
Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen auf den Pflichtteil
Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen noch zu Lebzeiten auf den Pflichtteil soll verhindern, dass das Pflichtteilsrecht umgangen wird. Auf Verlangen eines pflichtteilberechtigten Erben sind Schenkungen an Personen, die zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählen, der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf den Pflichtteil der beschenkten Person anzurechnen. Obwohl sich die geschenkte Sache nicht mehr in der Verlassenschaft befindet, wird sie also wertmäßig bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt. Die Hinzu- und Anrechnungspflicht hängt davon ab, ob die Zuwendung an eine pflichtteilsberechtigte Person oder an eine andere Person erfolgt ist.
Zuwendungen an pflichtteilsberechtigte Personen (direkte Nachkommen oder Ehegatten) werden unbefristet hinzu- und angerechnet, Zuwendungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen nur dann, wenn die Zuwendung innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen gemacht wurde.
Zuwendungen zu gemeinnützigen Zwecken werden nicht auf den Pflichtteil angerechnet, sie sind von der Anrechnungspflicht ausgenommen.
Pflichtteilsminderung und Enterbung
Der Pflichtteil kann auf die Hälfte reduziert werden. Dafür darf über einen Zeitraum von 20 Jahren kein familiärer Kontakt, wie er in der Familie zwischen Angehörigen gewöhnlich besteht, zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem bestanden haben.
Als Erbunwürdigkeitsgründe gelten allgemein besonders schwere Verfehlungen gegen den Erblasser/die Erblasserin und Angriffe gegen den letzten Willen. Auch strafbare Handlungen (mit zumindest einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Straftaten) gegen nahe Angehörige sind erfasst. Grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis bilden ebenso einen Tatbestand.
Pflichtteilsregelung und Pflichtteilsverzicht
Um Streitigkeiten und Kosten zu vermeiden, ist es möglich dass Erbberechtigte durch einen Vertrag, am besten in Form eines Notariatsaktes, im Voraus auf ihren Erb- und Pflichtteil verzichten. Auch ist es möglich, dass Pflichtteilsberechtigte gegen eine entsprechende „Abfindung“ in Form von Geld oder sonstigen Vermögenswerten auf ihren Pflichtteil verzichten und dadurch der vererbenden Person mehr Spielraum bei der freien Verfügung über ihr restliches Vermögen verschaffen.